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29.10.2012: Für mehr Parlamentskontrolle im Euro-Raum

Liebe Freunde,

man kann es nicht oft genug sagen: ein Glück, dass in der gegenwärtigen Lage in Europa Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble die Ver­handlungen für unser Land führen. Beim jüngsten EU-Gip­fel hat sich dies wieder einmal bestätigt. Trotz des Drucks vieler Länder wird die europäische Bankenaufsicht nun auf vernünftige Weise und in vernünftigem Tempo eingeführt. Die neue Kontrollinstanz muss zunächst wirksam arbeiten. Erst dann können marode Banken Geld aus den Töpfen des Rettungsschirms ESM erhalten – ohne den Umweg über ih­ren Staat. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Das hat die Kanzlerin immer gesagt – und so kommt es nun auch. Die neue europäische Bankenaufsicht ist der erste Schritt zu verbesserten Kontrollen im Euro-Raum insge­samt. Weitere werden folgen müssen, um das Vertrauen in die Stabilität unserer Währung endgültig wiederherzustel­len. Dazu kann auch gehören, den europäischen Wäh­rungskommissar mit mehr Rechten auszustatten, wie es unser Finanzminister vorgeschlagen hat.

Vor einem solchen Schritt muss aber zwingend die Frage der parlamentarischen Kontrolle der Brüsseler Exekutive bei Entscheidungen für den Euro-Raum geklärt werden. Was die Überwachung der nationalen Haushalte angeht, so muss die Exekutive stärker werden – keine Frage. Doch ist völlig ungeklärt, wer wiederum sie dabei kontrolliert. Das Europäische Parlament besitzt dazu nicht die Legitimation. Es ist die Vertretung der Bürger aller EU-Staaten, nicht aber die der Euro-Länder. Deshalb muss in Brüssel zwingend eine Institution geschaffen werden, die die Bürger aus eben diesen Ländern repräsentiert. Wir brauchen hier mehr De­mokratie.

Wolfgang Schäuble hat die Idee geäußert, dass dazu aus dem Europa-Parlament ein entsprechender Ausschuss mit Vertretern der Euro-Staaten gebildet werden könnte. Mögli­cherweise reicht dies für die Zukunft aber nicht aus. Groß­britannien zum Beispiel wird auf absehbare Zeit nicht Mit­glied des Euro-Raums werden. Europa wird daher voraus­sichtlich keine große Währungsunion werden, die sich ohne weiteres der EU-Institutionen bedienen können wird. Wir müssen daher über eigenständige Institutionen für den Euro-Raum nachdenken. Eines muss dabei klar bleiben: Solange Entscheidungen aus Brüssel den Haushalt der Mitgliedstaaten betreffen, müssen die nationalen Parlamente auch das letzte Wort be­halten.

Mit der Verabschiedung des Beitrags­satzgesetzes 2013 haben wir in dieser Sitzungswoche eine wichtige Ent­scheidung getroffen, die bei einer Vielzahl von Bürgern zu einer Entlas­tung führen wird. Zentrales Element ist die Absenkung des Rentenbeitrags­satzes von 19,6 auf 18,9 Prozent des Bruttolohns ab dem 1. Januar 2013. Davon profitieren nicht nur die Bei­tragszahler, sondern auch diejenigen, die heute schon eine Rente erhalten. Das Gesetz schafft damit ein echtes Stück Generationengerechtigkeit. Es ist in Deutschland gesetzlich ge­regelt, dass die Rentenbeiträge sinken müssen, wenn die Rücklagen in der Rentenkasse 1,5 Monatsausgaben überschreiten. Dieser Punkt wurde zuletzt deutlich überschritten: Auf­grund der guten wirtschaftlichen Ent­wicklung betragen die Rücklagen in der Rentenkasse derzeit 27 Milliarden Euro. Dass wir heute in der Position sind, die Beitragssätze bei der Renten­versicherung senken zu können, ist ein Erfolg unserer soliden Arbeits­markt- und Sozialpolitik. Die Renten­kasse ist aber keine Sparkasse. Für uns ist es wichtig, dass die Menschen in Deutschland von der positiven Wirt­schaftslage profitieren. Mit der nun beschlossenen Senkung der Renten­beiträge bleibt den Bürgern mehr Net­to vom Brutto. Sie können so am Auf­schwung teilhaben.

Es sind jedoch nicht nur die Bei­tragszahler, die vom Aufschwung pro­fitieren. Auch die etwa 20 Millionen Rentner in Deutschland profitieren von der Senkung des Beitragssatzes. Denn die Rentenformel hat den Ef­fekt, dass sich Senkungen des Renten­beitrages positiv auf die Rentenan­passung auswirken. Zum 1. Juli 2013 dürfte dieser Extra-Zuschlag 0,4 Pro­zent betragen, weil der Rentenbeitrag 2012 bereits von 19,9 auf 19,6 Prozent abgesenkt worden ist. Zum 1. Juli 2014 dürften es weitere 0,9 Prozent sein, die die Rentner mehr erhalten als es allein aus der positiven Ent­wicklung bei Lohn und Beschäftigung möglich wäre. Die Senkung des Ren­tenbeitragssatzes entlastet damit Jung und Alt. Neben Beitragszahlern und Rentnern profitieren auch die Unter­nehmen, weil die Lohnnebenkosten sinken. So können wiederum neue Arbeitsplätze entstehen. Diese Entwicklungen zeigen deutlich, dass unsere Anstrengungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik erfolg­reich sind. Die positive Entwicklung schützt uns aber nicht davor, weiter intensiv daran zu arbeiten, die gesetz­liche Rente am Leben zu erhalten. In den nächsten Tagen müssen wir in­tensiv nach Lösungen suchen, damit die Rentenbeiträge für die Jungen auch in Zukunft bezahlbar bleiben und die Älteren die Gewissheit haben, dass ihre Renten sicher sind.

Alle Fraktionen des Deutschen Bun­destages mit Ausnahme der Linken ha­ben sich in dieser Woche auf ein neues Wahlrecht verständigt. Das vereinbarte Modell sieht eine Zuteilung der Bun­destagssitze auf die Länder nach Bevöl­kerungsstärke vor. Überhangmandate werden voll ausgeglichen. So soll künf­tig auch das sogenannte negative Stimmgewicht vermieden werden. Da­rüber hinaus wird sichergestellt, dass Bundesländer und Regionen auch in Zukunft angemessen im Parlament vertreten sind. Die Neuregelung hatte das Bundesverfassungsgericht in sei­nem Urteil vom Juli verlangt. Mit der fraktionsübergreifenden Einigung steht die von den Parlamen­tarischen Geschäftsführern und Fach­politikern erarbeitete Reform des Wahlrechts auf einem breiten parla­mentarischen Fundament. Das zu­ständige Bundesinnenministerium wurde beauftragt, einen entsprechen­den Gesetzentwurf auszufertigen. Ein Abschluss des Gesetzgebungsverfah­rens Anfang 2013 ist damit wahr­scheinlich. Sollten künftig für eine oder meh­rere Fraktionen Überhangmandate anfallen, also mehr Direkt- als Listen­mandate in einem Bundesland, erhal­ten die anderen Fraktionen proportio­nal zu ihrer Größe zusätzliche Sitze. Dadurch entspricht die Sitzverteilung im Bundestag am Ende wieder dem Zweitstimmenergebnis bei der Wahl. Der Parteienproporz wird auf diese Weise wieder hergestellt. Mit der neuen Regelung kommt es nun zu einer zusätzlichen Vergröße­rung des Bundestages, wenn Über­hangmandate anfallen. In der laufen­den Legislaturperiode hätte der Bun­destag Berechnungen des Bundesinnenministeriums zufolge nach dem neuen Modell 671 statt der 622 Mitglieder gehabt, die es Anfang 2009 tatsächlich waren. Für die 24 Überhangmandate hätte es 49 Aus­gleichsmandate gegeben. Den Prog­nosen zufolge hätte der nächste Bun­destag 648 Mitglieder. Trotz der absehbaren Vergrößerung bleibt der Bundestag auch künftig im Vergleich zu anderen europäischen Demokratien ein kleines Parlament. Gemessen an der Bevölkerungszahl hat Deutschland weniger Volksvertre­ter als Frankreich, Italien, Schweden oder Großbritannien. In seiner Entscheidung zum Wahl­recht von 2009 hatte das Bundesver­fassungsgericht die Abschaffung des negativen Stimmgewichts gefordert, 2012 zusätzlich den Ausgleich von Überhangmandaten. Unter negativem Stimmgewicht bezeichnet man einen Effekt, bei dem sich Wählerstimmen gegen den Wählerwillen auswirken. In diesem Fall würden mehr Stimmen für eine Partei bewirken, dass diese weniger Abgeordnetenmandate be­kommt. Weniger Stimmen für diese Partei würde ihr mehr Sitze einbrin­gen. Die Richter hatten in ihrem Urteil vom Juli dazu aufgefordert, ein neues Wahlrecht mit einer breiten parla­mentarischen Mehrheit zu verab­schieden.

Das Ehrenamt zu fördern ist ein Her­zensanliegen der CDU/CSU-Fraktion. Bürgerschaftliches Engagement ist ei­ner der Grundpfeiler unserer Gesell­schaft. Millionen Deutsche setzen sich in Kirchen, Sportvereinen, sozialen Einrichtungen, Parteien oder Initiati­ven ein. Viele Bereiche des öffentli­chen und sozialen Lebens wären ohne die ehrenamtlich Tätigen nicht denk­bar. Wer besondere Verantwortung übernimmt, fördert das Gemeinwesen. Dies verdient Anerkennung und Un­terstützung von Seiten der Politik. Ziel der Union ist es daher, die Anrei­ze für das bürgerschaftliche Engage­ment zu stärken und bürokratische Hindernisse abzubauen. Daher hat eine Arbeitsgruppe der Finanz-, Sport- und Rechtspolitiker der Koalitions­fraktionen ein entspre­chendes Gesetz auf den Weg gebracht, welches am Mittwoch im Bundeska­binett beschlossen wurde. Es umfasst Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen, die ehrenamtlich tätige Bürger berühren: vom Steuerrecht bis hin zum Zivilrecht. Ein wichtiger Punkt ist die Anhe­bung der steuerlichen Pauschalen: Übungsleiter wie etwa Sporttrainer oder Erzieher können künftig statt 2.100 bis zu 2.400 Euro jährlich steu­er- und sozialversicherungsfrei erhal­ten. Aber auch andere ehrenamtlich Tätige wie Kassierer oder Platzwarte werden durch eine erhöhte Ehrenamtspauschale von 720 statt bisher 500 Euro begünstigt. Auch für die vie­len Vereine und Stiftungen, in denen sich Ehrenamtliche organisieren, sieht der Gesetzentwurf deutliche Verbesserungen vor. So wird die Frist, innerhalb derer steuerbegünstigte Körperschaften ihre Mittel verwen­den müssen, um ein Jahr auf zwei Jahre verlängert. Die Rücklagenbildung wird künftig deutlich flexibler gestal­tet. Kleine Vereine werden durch die Erhöhung der Umsatzgrenze für sportliche Veranstaltungen auf 45.000 Euro gefördert. Vereine erhalten au­ßerdem zukünftig eine verbindliche Bescheinigung, ob ihre Satzung die Voraussetzungen für die Anerken­nung als gemeinnützig erfüllt.

Viele Ehrenamtliche bewegt die Frage, inwieweit sie für etwaige Fehler und Schäden in Ausübung ihrer Tätigkeit einzustehen haben. Der Entwurf sieht hier eine Beschränkung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsmit­gliedern vor und mindert damit die möglichen Risiken für die Engagierten. Auch in Zukunft kommt Deutsch­land nicht ohne motivierte Ehrenamt­liche aus. Die Gesetzesinitiative soll ein klares Signal an die engagierten Bürger sein, dass ihre Arbeit von der Politik gewürdigt wird. Das Gesetzes­paket wird sowohl von der Bundesre­gierung wie auch von den Regierungs­fraktionen eingebracht werden und nach der Verabschiedung im nächsten Frühjahr rückwirkend ab 1. Januar 2013 gelten.

Die Gesetzesinitiative zur Stärkung des Ehrenamtes soll ab 1. Januar 2013 gelten und folgende Elemente enthalten:

Die Übungsleiterpauschale wird von 2.100 Euro auf 2.400 Euro und die Ehren-amtspauschale von 500 Euro auf 720 Euro erhöht.

  • Die Umsatzgrenze von Veranstaltungen eines Sportvereins wird von 35.000 Euro auf 45.000 Euro angehoben. Bei kleineren Veranstaltungen entfällt die Pflicht, die Ausgaben detailliert dem steuerpflichtigen bzw. dem steuerfreien Bereich zuzu­ordnen.
  • Es wird eine rechtsverbindliche Bescheinigung darüber ausgestellt, ob die Ver­einssatzung die Voraussetzungen für die Anerkennung als gemeinnützig erfüllt.
  • Die Mittelverwendungsfrist wird um ein weiteres Jahr ausgedehnt, um eine flexi­blere Mittelverwendung zu ermöglich.
  • Die Zuführung der ideellen Mittel in eine freie Rücklage und die Einführung einer Wiederbeschaffungsrücklage wird erleichtert.
  • Die Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsmitgliedern und Mitgliedern von Vereinsorganen wird beschränkt.

Mit besten Grüßen

Ihre Gitta Connemann

121026 Bundestag-Aktuell 16-12