21.10.2015: Sicherstellung der Verlässlichkeit von Gesundheitsinformationen im Netz
Gemeinsames Schreiben der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Gitta Connemann MdB und Dr. Georg Nüßlein MdB an die Bundesminister Hermann Gröhe MdB und Christian Schmidt MdB vom 02. September 2015:
Sehr geehrter Herr Minister, lieber Hermann,
Sehr geehrter Herr Minister, lieber Christian,
im Mai 2015 hat das Kabinett den Entwurf des Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) beschlossen. Damit ist die Grundlage dafür geschaffen worden, den Ausbau und die Nutzung moderner Informations-und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen, wie z.B. der Telemedizin oder Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte, zielgerichtet voranzutreiben. Dies wird dazu beitragen, die Sicherstellung, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung, vor allem in ländlichen Regionen, zu verbessern. Deshalb unterstützen wir dieses Vorhaben seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich.
In diesem Kontext gewinnt auch die Nutzung von Gesundheits- und Medizin-Apps immer mehr an Bedeutung. Der Markt für diese Produkte wächst kontinuierlich. Schätzungsweise gibt es inzwischen rund 400.000 dieser Apps. Laut einer aktuellen Studie von YouGov aus Dezember 2014 haben 41 % der Bürger mittlerweile mindestens eine dieser Apps auf ihrem Smartphone installiert, drei Viertel davon nutzen diese auch. Die Zahl der Apps und deren Nutzer steigt monatlich.
Gesundheits- und Medizin-Apps bieten mit Ernährungs-, Bewegungsangeboten etc. zweifellos Chancen, um den selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu stärken. Die Qualität der Produkte ist jedoch sehr unterschiedlich. Mit der Nutzung dieser Apps können Sicherheitsrisiken hinsichtlich der Inhalte aber auch des Datenschutzes verbunden sein. Es fehlen klare Regelungen.
Aus unserer Sicht müssen sich aber Verbraucher auf die Qualität, Sicherheit und Aktualität von zum Teil essentiellen, manchmal sogar lebenswichtigen Informationen aus dem Netz verlassen können. Deshalb wenden wir uns zwecks Sicherstellung des Gesundheitlichen Verbraucherschutzes sowie des Patientenschutzes an Euch. Insbesondere für folgende offene Fragen müssen nach unserem Dafürhalten Antworten bzw. Lösungen gefunden werden:
1. Differenzierung zwischen Gesundheits- und Medizin-Apps
Es gibt hier erkennbar ein regulatorisches Defizit. Die Definition der Zweckbestimmung und damit die Zuordnung einer App als Medizin- bzw. Gesundheits-App sowie ihre Risikoklassifizierung liegen bislang ausschließlich in der Verantwortung des jeweiligen Herstellers. Viele Apps sind tatsächlich Medizinprodukte, jedoch als solche weder deklariert noch geprüft. Gesundheits-Apps unterliegen keiner Regulierung und müssen daher keinen Vorgaben oder Standards genügen.
Auf europäischer Ebene wird Regelungsbedarf gesehen. Die EU-Kommission hat in ihrem Grünbuch über Mobile‐Health‐Dienste <(„mHealth“) aus April 2014 festgestellt, dass es in der EU keine verbindlichen Vorschriften zur Abgrenzung zwischen Lifestyle‐ und Gesundheits‐Apps einerseits und Medizinprodukten oder In‐vitro‐Diagnostika andererseits gibt. Es heißt dort wörtlich: „Da noch nicht verbindlich abgegrenzt und geregelt ist, wann solche Apps nicht unter die Richtlinie über Medizinprodukte fallen, muss klargestellt werden, welche Vorschriften für sie gelten.“
Aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucher- und des Patientenschutzes muss alles getan werden, um möglicherweise gesundheitsgefährdende Anwendungen zu verhindern. Daher halten wir es für erforderlich, dass sich Deutschland auf EU-Ebene für die Entwicklung entsprechender Kriterien zur Abgrenzung von Gesundheits- und Medizin-Apps einsetzt. Nur so kann dieses regulatorische Defizit behoben werden und sichergestellt werden, dass bei medizinischen Inhalten auch ein entsprechen-des Konformitätsverfahren durchgeführt wird.
2. Sicherstellung der inhaltlichen Qualität der Apps
Die inhaltliche Qualität der Apps ist sehr unterschiedlich. Das zeigen verschiedene Studien, aktuell der Techniker-Krankenkasse von Juni 2015. Die Spannweite reicht von qualitativ sehr hochwertigen bis zu fragwürdigen Produkten. Letztere können ggf. auch zu einer gesundheitlichen Gefährdung des Nutzers führen. Selbst im Fall einer CE-Kennzeichnung einer Medizin-App sagt diese nichts über die Qualität oder gar den Nutzen aus. Verbraucher wiegen sich in falscher Sicherheit.
Sicherlich ist die Entwicklung von Qualitäts-Standards eine aufwändige, komplexe und zeitintensive Aufgabe. Wir halten es trotzdem für unerlässlich, dass sich Deutschland auf nationaler und EU-Ebene für die Entwicklung entsprechender Qualitätsstandards einsetzt. Nur so kann dauerhaft ein hohes Sicherheitsniveau gewährleistet werden. Qualitätsstandards sollten dabei ein Maximum an Sicherheit und Orientierung für den Verbraucher bieten und mit einem Minimum an personellen und finanziellen Ressourcen für Kontroll- bzw. Prüfprozesse verbunden sein.
3. Datenschutz: Sicherheit bei Datenerhebung und -nutzung
Gesundheitsdaten sind ein sensibles Gut mit großem Marktwert. Diese Daten verdienen höchsten Schutz.
Jede App sollte daher eine Datenschutzerklärung enthalten, die als solche klar erkennbar ist und gut verständlich über die Erhebung und Nutzung der Daten informiert. Hinsichtlich des Datenschutzes und der Weiterverwendung von Daten sind aus unserer Sicht verbindliche Standards dringend erforderlich.
Wir regen deshalb eine Zertifizierung bzw. die Vergabe eines Siegels für Apps an, die in Deutschland entwickelt und betrieben werden und bestimmte festgelegte Datenschutz-Vorgaben einhalten. So könnten diese Vorgaben beispielsweise beinhalten, dass die erhobenen Daten in der Hoheit des Nutzers verbleiben und nicht weitergegeben werden dürfen. Daten von Gesundheits-Apps, die von Krankenversicherungen zur Verfügung gestellt werden, sollten ausschließlich in anonymisierter Form genutzt werden dürfen (z.B. zur Feststellung der Effektivität des Programms). Ein Rückschluss auf den individuellen Nutzer darf nicht möglich sein.
Sollte ein solches Verfahren der Zertifizierung zu kostenintensiv sein, käme alternativ ggf. eine Standardprüfung mit einem geeigneten Frage-bogen in Frage. Hierbei wären personeller Aufwand und Kosten deutlich geringer.
4. Verbindlichkeit von formalen Angaben:
Verbraucher müssen klar erkennbare und verständliche Informationen über das Produkt erhalten. Nur bei Wahrung dieses Grundsatzes der Wahrheit und Klarheit haben Verbraucher die erforderliche Grundlage für eine Entscheidung.
Wir halten es deshalb für notwendig, dass folgende Angaben verbindlich sein müssen:
– Impressum mit Angaben zum Urheber und zur Aktualität:
jede App muss ein Impressum haben, in dem Angaben zum Urheber und
zur Aktualität der Informationen gemacht werden. Nur so kann die
Quelle auch überprüft werden. Und nur so ist erkennbar, woher die
Inhalte stammen und ob der Autor über die erforderliche Expertise
verfügt.
– Kontaktaufnahme: die App sollte zudem Angaben enthalten, wie eine
Kontaktaufnahme erfolgen kann.
– Finanzierung: die Finanzierung der App sollte offengelegt werden.
Wir wären dankbar, wenn Ihr diese Anregungen in Eure weiteren Überlegungen und Planungen aufnehmen würdet.
Mit besten Grüßen
Gitta Connemann MdB und Dr. Georg Nüßlein MdB
Die Minister Gröhe MdB und Schmidt MdB haben uns mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 in dieser Sache geantwortet. Ihre Antwort ist hier zum Nachlesen als pdf-Dokument hinterlegt.