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Wölfe in Deutschland – Sorgen ernst nehmen, Sicherheit schaffen, Bestände regulieren

BERLIN, 27.11.2018

Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

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Im Jahr 2000 wurde in Sachsen das erste Wolfsrudel nachgewiesen. Seitdem breiten sich die Wölfe in Deutschland aus. Denn die größten Raubtiere in unserer Kulturlandschaft haben keine natürlichen Feinde. Im Monitoringjahr 2017/18 wurden seitens des Bundesamts für Naturschutz und der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“ 73 Rudel, 30 Paare und drei Einzeltiere bestätigt. Diese Konzentration führt in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft zu vielfältigen Problemen. Die Politik darf hiervor die Augen nicht verschließen. Erforderlich ist eine wissenschaftliche, datenbasierte, ideologiefreie und pragmatische Herangehensweise. Schutz und Sicherheit der Menschen sind dabei für uns oberstes Gebot.

Den Sorgen und Ängsten der Menschen insbesondere in ländlichen Regionen muss Rechnung getragen werden. Sie sind zum Teil unmittelbar mit den Wölfen konfrontiert. Besonders betroffen sind die Weidetierhaltung mit Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und Gatterwild sowie die Jagd. Die Weidetierhaltung prägt und erhält unsere Kulturlandschaft, ist eine insbesondere für das Tierwohl vorteilhafte Form der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung und auch für den Arten- und Landschaftsschutz unabdingbar. Tierschutz ist nicht teilbar. Auch Herdentiere verdienen Schutz. Die zahlreichen Fälle, in denen Tiere von Wölfen getötet und schwerstverletzt wurden, zeigen den wachsenden Handlungsbedarf. Denn die Wolfsbestände verdoppeln sich alle drei bis vier Jahre. Diese Reproduktions- und Verbreitungsdynamik wurde bislang in Deutschland unterschätzt. Um dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen insbesondere in den ländlichen Gebieten zu entsprechen, Weidetierhaltung auch in Zukunft zu ermöglichen und die Akzeptanz der Rückkehr des Wolfes in der Gesellschaft zu sichern, halten wir folgendes politisches Handeln für erforderlich:

  1. Wir fordern eine realistische Bewertung der Wolfsbestände in Deutsch-land und Europa.

Bundesumweltministerium und Bundesamt für Naturschutz halten derzeit in Deutschland eine Zahl von 1.000 erwachsenen Tieren für notwendig, damit ein „günstiger Erhaltungszustand“ beim Wolf bejaht wird. Diese Festlegung entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Denn der Wolf ist ein Generalist, was Lebensraum und Nahrung anbelangt. Er steht an der Spitze der Nahrungskette und hat keine natürlichen Feinde. Zudem legt er weite Strecken zurück, wodurch ein genetischer Austausch, auch mit anderen Populationen, gegeben ist. Aus diesen Gründen ist hier auf wissenschaftlicher Basis ein neuer realistischer Wert zu definieren.

Inzwischen wird die Zahl der Wölfe in Europa auf 20.000 geschätzt. Die in Deutschland beheimateten Wölfe bilden zusammen mit der Population in Westpolen die zentraleuropäische Population. Zwischen dieser und der nordostpolnischbaltischen Population findet ein genetischer Austausch statt. Aufgrund dieser Sachlage ist der „günstige Erhaltungszustand“ als erreicht anzusehen.

Derzeit wird zwar der Schutzstatus europäisch festgelegt. Demgegenüber wird aber national bewertet, ob ein „günstiger Erhaltungszustand“ gegeben ist. Wölfe machen aber nicht an Landesgrenzen halt. Deshalb ist der günstige Erhaltungszustand der Wölfe künftig auf Populationsebene zu definieren und nicht national. Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese Herangehensweise offensiv gegen-über der Europäischen Kommission zu vertreten und entsprechende Veränderungen bei den europarechtlichen Vorgaben einzufordern. Es ist sicherzustellen, dass die genetische Zusammensetzung der europäischen Wolfsbestände transparent, wissenschaftlich-neutral und grenzübergreifend dokumentiert wird.

  1. Wir fordern natur- und artenschutzrechtliche Veränderungen.

Trotz des massiven Wachstums der Bestände ist der Wolf in Deutschland immer noch eine streng geschützte Art. Dies basiert auf internationalen (Berner Überein-kommen) und europäischen Verpflichtungen (FFH-Richtlinie). Diese wurden in einer Zeit (1984 bzw. 1992) eingegangen, in der es keine in der Natur lebenden Wölfe in Deutschland gab.

Die aktuelle Situation erfordert eine Überarbeitung der Schutzkulisse. Die Schweiz hat die Änderung des Berner Übereinkommens beantragt, um den Wolf auf eine „geschützte Art“ herabzustufen. Dies ist zu begrüßen. Darüber hinaus ist die Art aus dem Anhang IV der FFH-Richtlinie („streng geschützt“) in den Anhang V („geschützt“) zu überführen. Dies ist angesichts der Populationsentwicklung geboten und eröffnet Spielräume für einen angemessenen Umgang mit dem Wolf.

National sind die Spielräume, die die FFH-Richtlinie (Art. 16) bereits heute eröffnet, konsequent zu nutzen und durch Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz zu flankieren. So müssen die Möglichkeiten, die die FFH-Richtlinie bereits heute zur Entnahme von Wölfen vorsieht, vollständig ausgeschöpft werden. Zum Bei-spiel muss eine Entnahme bereits dann möglich sein, wenn ein „ernster“ Schaden droht. Bislang ist „erheblicher“ Schaden erforderlich. Statt wie bisher ausschließlich im Einzelfall zu entscheiden, muss dies künftig „unter strenger Kontrolle, selektiv und im beschränkten Ausmaß“ auch für eine staatlich festgelegte Zahl von Einzeltieren möglich sein.

  1. Wir fordern einen effektiven nationalen Wolfsmanagementplan.

Der Wolf hat sich in Deutschland mittlerweile auf einer zahlenmäßig soliden Basis wieder angesiedelt. Deshalb müssen wir beim Umgang mit den Wölfen von einer Aufbauphase zu einer Managementphase übergehen. In dieser müssen Bestandshöhe und regionale Ausbreitung auf wissenschaftlicher Grundlage organisiert werden. Es gibt keinen Grund, weshalb die Wolfsbestände in Deutschland nicht genauso reguliert werden sollten wie in anderen europäischen Staaten (z.B. Schweden, Finnland, Frankreich). Dort gibt es bereits heute Populationsgrößen, die staatlich festgelegt werden. Auch in Deutschland sind auf einer fortlaufend aktualisierten Datenbasis klare Bestandsgrenzen zu definieren, auf deren Grundlage ein Wolfsmanagement stattfindet.

Dabei müssen regionale Überpopulationen berücksichtigt werden. In Gebieten mit einer zu hohen Wolfsdichte müssen Vergrämung und Entnahmen auf der Grundlage verbindlicher Kriterien konsequent ermöglicht werden. Die Herausforderungen beim Umgang mit den Wölfen können nur länderübergreifend effektiv angegangen werden. Deshalb ist bei der Entwicklung des nationalen Wolfsmanagements eine enge Koordination zwischen Bund und Ländern erforderlich. Die ei-genverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch die Länder muss dabei gewahrt bleiben. Land- und Forstwirte, Weidetierhalter, Jagdausübungsberechtigte, Jäger und Förster müssen bei der Entwicklung der Managementmaßnahmen beteiligt werden.

  1. Wir wollen durch geeignete Maßnahmen im Rahmen des nationalen Wolfsmanagements sicherstellen, dass zwischen Wolfsschutzgebieten und Wolfsmanagementgebieten unterschieden wird.

Die Zahl der Konflikte zwischen Mensch und Weidetierhaltung einerseits und Wolf andererseits wächst. Die Wölfe testen Tag für Tag ihre Grenzen aus. Nur wenn mit geeigneten Maßnahmen im Rahmen des Wolfsmanagements eine „unsichtbare Grenze“ zu Städten und Dörfern gebildet wird, die der Wolf nicht über-schreitet, wird der Rückkehr des Wolfs die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz entgegengebracht werden. Es muss der Grundsatz gelten: Kommt ein Wolf dem Menschen oder Weidetieren zu nahe oder überwindet er einen Schutzzaun, muss er vergrämt oder – sofern erforderlich – entnommen werden. Das gilt insbesondere für verhaltensauffällige Tiere. Das Füttern von Wölfen oder Versuche, Wölfe an die Anwesenheit des Menschen zu gewöhnen, um sie beispielsweise besser beobachten zu können, müssen sanktioniert werden.

Wir fordern eine Habitatanalyse bzw. eine wildökologische Raumplanung. Deutschland ist eine dichtbesiedelte Industrienation. Eine Besiedlung einer ganzen Reihe von Regionen durch den Wolf ist nicht problem- bzw. gefahrlos möglich und deshalb zu verhindern. Beim Wolf gilt zudem wie beim Umgang mit Wildbeständen: Der Bestand muss auch den landschaftlichen sowie landes- und agrarstrukturellen Verhältnissen angepasst sein und die Existenz anderer wildlebender Tierarten in vertretbarer Bestandsdichte ermöglichen.

Politisches Ziel darf es nicht sein, den Menschen an den Wolf anzupassen. Dazu bieten sich eine Habitatanalyse und wildökologische Raumplanung an: Wolfsschutzgebiete in unbesiedelten Gebieten wie Naturschutzgebieten oder ehemaligen Truppenübungsplätzen; und Wolfsmanagementgebiete in besiedelten und wirtschaftlich genutzten Arealen, in denen ein konfliktfreies Zusammenleben von Mensch/Weidetieren und Wolf nicht möglich ist oder aber ein effektiver Herdenschutz technisch und zu vertretbaren Kosten nicht umzusetzen ist. Hier sind auch „wolfsfreie Zonen“ einzurichten. Wenn aus rein wirtschaftlichen Gründen in Deutschland zum Beispiel rotwildfreie Zonen definiert werden, in denen dem Rotwild das legitime Recht auf Lebensraum abgesprochen wird, sind „wolfsfreie Zonen“ angesichts der Risiken für den Menschen, Weide- und Haustiere erst recht zu rechtfertigen.

  1. Wir fordern die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht.

Für wirksame Bestandsregulierung bietet sich die Überführung der Wölfe ins Jagdrecht an. Dabei ist dem Jagdausübungsberechtigten die Durchführung der Management- oder Entnahmemaßnahmen zu übertragen. Kann bzw. will der Jagdausübungsberechtigte diese Maßnahmen nicht ausführen, sind zuständige Behörden mit der Durchführung der Maßnahmen zu betrauen. Diese Option muss weiterhin beinhalten, dass dem Jagdausübungsberechtigten keinerlei Schadensersatzpflichten auferlegt werden dürfen.

  1. Wir setzen uns für eine umfassende staatliche Hilfe bei der Prävention von Wolfsschäden und bei der Regulierung im Schadensfall im Bereich der Weidetierhaltung und anderer Eigentumsbeeinträchtigter ein.

Hierfür müssen bundesweit einheitliche Standards gelten. Die Beweislast für Entschädigungen bei Nutz- und Haustierrissen ist umzukehren. Die Verfahren bei der Feststellung von Wolfsrissen müssen überarbeitet und auch weitere Institute neben dem Senckenberg Forschungsinstitut für entsprechende Untersuchungen zu-gelassen werden.

Wir fordern angemessene und unbürokratische Regelungen zur Entschädigung und schnelle Hilfe für die Einrichtung der nötigen Schutzmaßnahmen. Bei Pferden oder Rindern, die bei Wolfsübergriffen fliehen, besteht z.B. ein erhebliches Gefahren- und Schadenspotenzial für Dritte. Dies ist für einen Schadensausgleich und Haftungsfragen abzuklären. Zur Unterstützung der Bemühungen der Länder sollte ein Bundesprogramm aufgelegt werden.

Staatliche Unterstützung kann aber ein engagiertes Wolfsmanagement nicht ersetzen. Wolfsgebiete müssen ausgewiesen und Herden geschützt werden. Wolfsangriffe erfordern konsequentes Handeln. Die Weidetierhaltung, die in einigen Naturräumen oder auf Deichen nicht technisch gegen Wölfe zu schützen ist, ist auch durch Schutzjagden zu sichern.